Sehr geehrte Kleingärtner, Siedler und Eigenheimer, liebe Gartenfreunde

Das neue Landesnaturschutzgesetz – blieben Praktiker außen vor?
(Editorial "Haus und Garten" Oktober 2020)

Das am 23. Juli veröffentlichte mit den Insektenschutzvorgaben ergänzte baden-württembergische Naturschutzgesetz wurde als großer Wurf gepriesen wie vieles, das sich zuerst gut liest, aber bei genauem Hinsehen dann doch Verbesserungspotential erkennen lässt. Drei Themen, die uns als Freizeitgärtner und Streuobstwiesenbewirtschafter besonders betreffen, seien herausgegriffen und genauer unter die Lupe genommen:

Das Verbot der sogenannten „Schottergärten“, hier der Gesetzestext:

§ 21a - Gartenanlagen
1Es ist darauf hinzuwirken, dass Gartenanlagen insektenfreundlich gestaltet werden und Gartenflächen vorwiegend begrünt werden. 2Schotterungen zur Gestaltung von privaten Gärten sind grundsätzlich keine andere zulässige Verwendung im Sinne des § 9 Absatz 1 Satz 1 LBO. 3Gartenflächen sollen ferner wasseraufnahmefähig belassen oder hergestellt werden.

Hier der Verbesserungsvorschlag, der im Rahmen einer Stellungnahme von unserem Verband sowohl an das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz wie auch an das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft gesendet wurde, selbstredend ohne jemals eine sich fachlich mit unseren Vorschlägen auseinandersetzende Antwort darauf erhalten zu haben:

„Flächiges Abdecken des unbepflanzten Bodens mit organischem (Rindenmulch, Holzhackschnitzel) oder mineralischem (Sand, Kies, Schotter) Material mit oder ohne Vlies- oder Folienunterlage ist grundsätzlich keine andere zulässige Verwendung …“
Begründung:
Auch das Abdecken des Bodens mit Holz- oder Rindenprodukten schädigt das Bodenleben massiv und führt so zu Struktur- (Gare-) und damit Fruchtbarkeitsverlust, vor allem, wenn zwischen Abdeckschicht und Boden zur Verhinderung des Durchwachsens von Wurzelwildkräutern noch ein Vlies oder - noch schlimmer - eine dichte Folie gelegt wird.
Fazit: Die Fokussierung auf Schotter bringt außer einem Absatzrückgang der Steinbruchbetriebe weder den Insekten noch dem Boden eine Verbesserung, denn ganz Schlaue werden sich dann erlaubterweise eben Rindenmulch oder Holzhackschnitzel in den Garten kippen…

Thema „Pflanzenschutz“, zuerst ein Auszug aus dem Gesetzestext:
... (Weiterlesen und Download des Beitrages)

Harald Schäfer, Landesfachberater
 

Aus aktuellem Anlass:

  • Info-Portal Baden-Württemberg
     
  • Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Vereinsleben (Info 26. Juni 2020)

    Aufgrund der immer noch existierenden Ansteckungsgefahr, die ihren Niederschlag in den trotz mancher „Lockerungen“ immer noch aufrechterhaltenen Kontaktbeschränkungen der Corona-Verordnungen des Landes Baden-Württemberg findet, wird es vermutlich noch etwas dauern, bis im täglichen Leben und damit auch in den Vereinen wieder der gewohnte „Alltag“ einziehen kann.
    Der Landesverband verfolgt die Anpassungen der Corona-Verordnungen des Landes Baden-Württemberg und informiert die Vereinsvorstände zeitnah über die jeweiligen neuen Bestimmungen.

    Bei Fragen wenden Sie sich daher bitte an Ihren Vorstand.

    Die jeweils aktuelle Corona-Verordnung können Sie unter folgendem Link einsehen: Maßnahmen gegen die Verbreitung des Corona-Virus

Freie und unabhängige Referenten die von unseren Bezirken und Vereinen  engagiert werden können: Liste zur Ansicht

Interne Termine des LV zu Infoveranstaltungen, Fachberaterlehrgänge, Sitzungsveranstaltungen LV finden Sie hier!

Landesgartenschauen / Grünprojekte / Veranstaltungsparks / Museen

Der besondere Medien-Tipp:

Messen / Pflanzmärkte/ Veranstaltungen

Literaturquelle siehe rechts: "Natur für jeden Garten", Reinhard Witt (Selbstverlag)

(Editorial HuG September 2020)

Liebe Gartenfreundinnen und Gartenfreunde,
Corona, Klimawandel und Artenschwund halten uns über die Medien nun schon länger in Bewegung, was nun nicht ganz unkommentiert bleiben sollte. In diesem Jahr werden sehr viele unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger Ihren Urlaub in Deutschland verbringen bzw. verbracht haben. Nicht wenige bleiben oder blieben sogar zu Hause und suchen bzw. suchten einen Garten. Sie würden am liebsten pachten oder kaufen, was sie gerade bekommen könnten.

Eine hohe Nachfrage klingt zuerst mal nicht schlecht und es klingelt in den Ohren: „Erweiterung von Gartenanlagen“, „neue Kleingartenprojekte“?! Aber Stopp! - Die Frage darf erlaubt sein: sind die Leute überhaupt alle für eine Kleingartenanlage geeignet?  Bei den Interessenten handelt es sich doch wahrscheinlich in erster Linie um jene Kategorie, die erstmal etwas Ruhe, Entspannung im Grünen suchen, Abstand von zu Hause brauchen, aber dann auch gerne Grillen, Spielen, „Party“ machen – eben Urlaub im Garten! Aber wer ist bereit von ihnen einen Garten zu bewirtschaften? Wer fühlt sich verpflichtet mindestens ein Drittel seiner Gartenfläche mit Obst und Gemüse anzubauen? Wer wird sich in den Gemeinschaftsgeist eines Vereins einbringen, sich nicht vor der Gemeinschaftsarbeit drücken? Wer von diesen Garteninteressierten hat überhaupt die Rolle von Gärten und Kleingärten als ökologische Basis zur Produktion von Nahrungsmitteln für den Eigenbedarf und zur Minderung des Einflusses von Klimawandel und Artensterben in seinem Fokus.

Mittlerweile gibt es sogar Pächterinnen und Pächter, die einfach so auf ihrer Parzelle einen Schottergarten anlegen (möchten). - Eine solche Umweltsünde kann durch einen Verbotshinweis in der Gartenordnung geregelt werden. Ein Rückbau bereits umgewandelter Flächen ist unumgänglich. Die Mustergartenordnung des LV enthält einen entsprechenden Passus. Noch frisch ist nun auch das allgemein gesetzliche Verbot zur Anlage von Schottergärten in Baden-Württemberg.

Echte Gartenfreunde verfolgen ihr Hobby mit Freude am Gärtnern und Freude an der sie begleitenden Natur, die Sie mit etwas Fachwissen einfacher zu pflegen verstehen, als einen englischen Rasen, der nicht gelingen will. Alternativen für Rasenflächen gibt es genug. Eine viele Jahre nachhaltig wachsende und einfach zu pflegende Stauden-Artenmischung wäre „Silbersommer“, welche bereits 2006 den Innovationspreis Gartenbau erhielt. Was die wenigsten wissen: Auf der Homepage vom Bund Deutscher Staudengärtner werden bereits zahlreiche Mischpflanzungen vorgestellt. Zugleich gibt es weitere Spezialgärtnereien, Fachleute und Institutionen, die sich seit Jahren mit der Thematik Naturgärten, naturnahes Gärtnern durch Verwendung heimischer Staudenpflanzungen, Gehölze, sowie Zwei- und Einjähriger beschäftigen. - U.a. der Hermannshof in Weinsberg; der Naturgarten e.V. Deutschland; Rieger-Hofmann; jelitto-Samen; Staudengärtnerei Syringa; Staudengärtnerei Gaismeyer; Hof-Berggarten; UFA Samen usw. In der Mitgliederzeitschrift „Haus und Garten“ werden wir die Thematik weiter vertiefen. Sie versetzt uns nämlich in die Lage wirklich pflegeleichte Alternativen an Stelle ideenloser pflegeintensiver lebloser Schurrasenflächen zu verwenden.

Gott sei Dank gibt es Menschen, Institutionen und auch Städte/Gemeinden, die etwas für den Garten und die Natur tun. Sven Plöger, der allseits bekannte ARD-Wetterexperte erhielt für sein Wirken den NatureLife-Umweltpreis 2020. Die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V. informiert im Rahmen des Bundesprogramms „leben.natur.vielfalt“ über eine neue Homepage namens „Tausende Gärten-Tausende Arten“: www.tausende-gaerten.de mit interessanten Gartenprojekten zur Förderung der Biodiversität. Die Stadt Stuttgart fördert Grünprojekte beispielsweise Hof-, Dach- und Fassadenbegrünungen mit Förderobergrenzen bis 10.000 Euro: zuständig ist das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung. Wäre schön, wenn andere Gemeinden dieses Programm ebenfalls aufnehmen. Besonders deutlich bringt es die Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg (Umweltakademie) auf den Punkt: „Artenwissen ist der Schlüssel zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Doch die Wissens-Erosion in der Bevölkerung und in Fachkreisen schreitet voran“. Durch Verschiebung von Studienschwerpunkte im Bereich der Biologie gibt es weniger Botaniker, weniger Spezialisten in der Pflanzenverwendung, weniger Experten über Kenntnisse im Zusammenspiel von Flora und Fauna.

In Sachen „Artenwissen“ ist unsere Redaktion aber doch schon einige Zeit in Aktion in dem wir beispielsweise unter Mithilfe von „Deutschland summt“ verschiedene Wildbienenarten mit ihren Bedürfnissen vorstellen. Natürlich in der Hoffnung, dass Sie aus den Beschreibungen etwas übernehmen und vielleicht das eine oder andere Exemplar spezieller Wildbienen in ihrem Garten begrüßen können. Sie werden merken, das ist besser als jedes Fernsehprogramm. Da wir also durch unser Angebot an Futterpflanzen in unseren Gärten auch tierische „Besucherströme“ zu lenken vermögen, können wir neben den ubiquitären Arten (anpassungsfähig, kommen mit vielem zu Recht) ebendem Spezialisten heranlocken und mit Ihnen weitere, von ihnen abhängige Fauna-Vertreter. Wer z.B. einen Gartenteich hat oder in einer Region mit natürlichen Gewässern lebt, kann mit der Auen-Schenkelbiene als einer solche Spezialistin rechnen: sie ist auf Ölblumen der Gattung Gilbweiderich angewiesen. Die oligolektische Art (überschaubare Zahl an besuchten Pflanzen) sammelt dabei Öl und Pollen am Gewöhnlichen Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris) und gelegentlich auch am Punkt-Gilbweiderich (Lysimachia punctata). Ölpflanzen bieten jedoch keinen Nektar, daher ist die Schenkelbiene auf zusätzliche Nektarquellen in unmittelbarer Umgebung ihrer Erdnester angewiesen. Hier sammelt sie gern an typischen Pflanzen der Ufer- und Hochstaudenfluren wie den weit verbreiteten Blutweiderich (Lythrum salicaria), Sumpf-Storchschnabel (Geranium palustre) oder Sumpf-Kratzdistel (Cirsium palustre). Wo Schenkelbienen sind, tritt auch die sie parasitierende Schmuckbiene (Epeoloides coecutiens) als Kuckucksbiene auf.Andere Gemeinschaften zwischen Pflanzen und Wildbienen finden sich bei Hummeln und Schneemarbel, Reseden-Maskenbiene und Resede, Gartenwollbiene und Heilziest, Glockenblumen-Scheerenbiene und Rundblättriger Glockenblume, Zaunrüben-Sandbiene und Zaunrübe.

In ihrem Buch „Tiere pflanzen“, Pala Verlag, beschreibt Ulrike Aufderheide zahlreiche faszinierende Partnerschaften zwischen Pflanzen und Tieren. Bei den Vögeln werden Stieglitze von den Samenständen hoher Stauden magisch angezogen, vor allem wenn sich darunter Kardengewächse, Disteln und Korbblütler wie Flockenblumen befinden. Wichtig dabei ist, deren attraktive Samenstände über Winter stehen zu lassen. Weitere partnerschaftliche Beziehungen lassen sich mitunter zwischen Rotkehlchen und Pfaffenhütchen, Dompfaff und Eberesche, Weidenmeise und Hohlzahn sowie Mönchsgrasmücke und Holunder beobachten. Bei den Schmetterlingen sind neben den pflanzlichen Insektenmagneten auch Raupenfutterpflanzen von großer Bedeutung. Für die Raupen von rund 50 Schmetterlingsarten dienen verschiedene Brennnessel-Arten als Futterpflanze. Admiral, Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs (auch als Nesselfalter bekannt), Silbergraue Nessel-Höckereule, Dunkelgraue Nessel-Höckereule, Brennnessel-Zünslereule und das Landkärtchen sind dafür sogar auf die Brennnessel angewiesen. Dabei scheint es den Arten je nach ihrer Präferenz wichtig zu sein ob der Standort sonnig, halbschattig oder schattig ist. Der kleine, nur bis 4 m hohe Faulbaum (Rhamnus frangula) wird sowohl vom Zitronenfalter als auch vom Faulbaum-Bläuling geliebt. Letzterer hält sich als Falter dann auch sehr gerne an Blutweiderich. Andere interessante Beziehungen gibt es zwischen Rosenkäfer und (Essig-) Rosen sowie von Hain-Schwebfliegen und Wilder Möhre. Vertiefen können Sie den blattlausreduzierenden Einfluss von Schwebfliegen in ihrem Garten, deren Larven hier großartige Arbeit verrichten, in dem Sie die Gemeine Wegwarte (Cychorium intybus) oder ihr verwandtes Gemüse Zuckerhut, Radicchio oder Chiccoree schießen und blühen lassen.

Wollen Sie schließlich etwas Gutes für Fledermäuse tun, dann kultivieren Sie Pflanzen, die abends und in den Nächten blühen. Dazu zählen u.a. heimische Geißblattgewächse wie Jelängerjelieber sowie auch die Nachtkerzen. Diese werden gerne von Nachtfaltern besucht, die wiederum auf dem Speiseplan von Fledermäusen stehen. Wenn die Nahrungskette stimmt, haben wir nicht nur schädliche Mitesser in unseren Gärten sondern auch ihre nützlichen Gegenspieler. Es sind die Räuber-Beute Beziehungen die zählen und sich zugleich selbst regulieren: Wo wegen chemischen Pflanzenschutz keine Blattläuse, da auch keine Marienkäfer, Schwebfliegenlarven und Florfliegenlarven. Letztere werden sogar als Blattlauslöwen bezeichnet. Spinnen, Hornissen, Wespen, Erzwespen, Goldwespen, … oder in ihrer Funktion: Räuber, Parasitoide, Superparasitoide (auch Kuckucksformen bei Insekten), Hyperparasitoide sind wichtige Gesellschafter unserer Gärten. Mit pflanzlicher Artenvielfalt entwickelt sich die tierische Artenvielfalt, und mit etwas Geduld von Gartenfreunden vor Ort die Selbstregulierung der Schädlings-Nützlingspopulationen. Wenn z.B. im Frühsommer riesige Mengen Blattläuse an den zarten frischen Austrieben ihrer Lieblingspflanzen saugen, ist es kein Problem diese mit der handschuhbewehrten Hand abzustreifen. Es bleiben genug übrig für die bald folgenden Nützlinge. Jedoch können Sie mit einer chemischen Behandlung die ersten Ansätze der sich aufbauenden Nützlingspopulationen zu Nichte machen. Die Fähigkeit der Selbstregulierung ergibt sich also aus einer hohen Biodiversität. Die Biodiversität setzt sich wiederum zusammen aus der Artenvielfalt, aber auch aus der Vielfalt der mit den Pflanzarten verwandten Sorten und Spielarten, die auf natürlichem Weg entstanden, ebenfalls vollumfänglich naturtauglich (generativ vermehrungsfähig) sind. Gleichfalls zur Biodiversität gehören die unterschiedlichsten Strukturen, geschaffen aus der Natur wie Sand, Erden, Steine, Pflanzen und Pflanzenteile sowie künstliche Materialien, die dazu befähigt sind allen Tieren Schutz und Nistmöglichkeiten zu bieten. Alles zum Wohle der Reproduktion, dem Erhalt des Lebens.

Fachberater Jörg Gensicke

(Editorial Haus & Garten Juli/August 2020, zum Herunterladen)


Früher war mehr Vertrauen

„Wenn früher der Vorstand sagte: Jetzt gehen wir alle nach links - dann ist der ganze Verein nach links gegangen. Wenn heute ein Vorstand das sagt, kommt gleich die Frage: Warum gehen wir nicht nach rechts? - ein anderer will vorwärts und wieder ein anderer sogar zurück.“ Dieses Zitat unseres Präsidenten Klaus Otto trifft die Zustände nicht nur in unseren Vereinen, sondern in der gesamten Gesellschaft - deren Bestandteil die Vereine ja sind - wie den Nagel auf den Kopf.

Wie konnte es zu einer solchen misstrauenden Orientierungslosigkeit kommen?
Früher gab es einen gesellschaftlicher Grundkonsens, auch „Grundwerte“ genannt, der als Norm das gesellschaftliche Leben bestimmte, es gab erwünschte, erlaubte, mehr oder weniger geduldete und nicht zulässige, geächtete Verhaltensweisen, also einen Regelkodex, der von (fast) allen respektiert wurde und die Gesellschaft zumindest äußerlich zusammenhielt.
Nicht verschwiegen werden soll, dass damit auch der Heuchelei und dem Pharisäertum Vorschub geleistet, manches „Dorfgeheimnis“ nur flüsternd hinter vorgehaltener Hand garniert mit lustvoller Empörung weitererzählt wurde und Personen, die sich nicht „regelkonform“ verhielten, öffentlich geächtet und nicht selten bis in den Freitod getrieben wurden - Hauptsache, der „gute Eindruck“ konnte wenigstens nach außen halbwegs aufrechterhalten werden.

Eine wichtige „Gesellschaftsklammer“ war früher die Kirche, der gemeinsame Glaube und die Autorität der „Vertreter Gottes“ in ihren Gemeinden.
Schon in den uralten Hochkulturen z.B. in Mesopotamien und in Ägypten gab es „Staatsreligionen“. Die alten Griechen waren hier schon „freidenkerischer“, manche Philosophen hielten zwar die Götter für Menschenwerk, aber sie glaubten trotzdem - nämlich an die „Humanität“, an das „Gute im Menschen“. Bei den Römern schwang das Pendel dann wieder etwas zurück und so wurden später sogar die Kaiser teilweise noch zu Lebzeiten als „Gottheiten“ verehrt. Danach traten in Europa die „Eingottreligionen“, also vor allem Christentum und Islam geschichtsprägend in Erscheinung, der jüdische Glaube als verbindendes Fundament der drei auf Abraham zurückzuführenden Weltreligionen bestand ja schon länger, wurde jedoch vielfach verfolgt.
Unabhängig davon, ob der Gläubige an einen („beaufsichtigenden“) Gott oder an die Humanität glaubt, so gibt ihm sein Glaube doch eine „Richtschnur“ für sein eigenes Leben und das - sinnvollerweise möglichst reibungsarme - Zusammenleben mit seinen Mitmenschen.

In der heutigen, trotz allen Lippenbekenntnissen der Politik in der Realität staatlich geförderten „säkularen“ Gesellschaft ist der Glaube aus dem gesellschaftlichen Zentrum verschwunden und die Menschen daher auf sich selbst zurückgeworfen. Leere aber will gefüllt sein und dafür bieten sich heute unzählige „Aushilfsgötter“ an: Konsum auf Kosten der Mitmenschen und der Zukunft unserer Erde, Karriere auf Kosten der Kollegen und des Unternehmens, die sich in immer mehr Lebensbereiche hineinfressende Datenkrake Internet, die (un)„sozialen“ Medien, die auch die kürzeste Lücke zum Nachdenken erfolgreich mit meist sinnlosen „Messages“ zustopfen und auch die als Zukunftsmodell vielgepriesene „virtual reality“, die ja wie ihr Vorläufer - das „unbegrenzte“ Fernsehprogrammangebot - nur dafür geschaffen wird, um die Bürger in eine Scheinwelt zu entführen und so zu verhindern, dass sie zu wirklich „mündigen“, mit beiden Beinen in der Wirklichkeit stehenden Bürgern werden und der Politik auf die Finger schauen.
Der „mündige“ und „selbstverantwortliche“ Bürger wird ja von den Politikern nur bemüht, um damit zu verschleiern, dass sich „Vater Staat“ wieder ein Stück aus seiner - übrigens von seinen Bürgern finanzierten - Verantwortung zurückzieht und sie dadurch faktisch bestiehlt oder sie wieder mit etwas beglücken will, das zwar vorgeblich zu ihrem Besten sein soll, aber meist nur einzelnen Interessengruppen wirklich zugutekommt.
Dieses Spiel wird von immer mehr Menschen durchschaut und hat zu einem erheblichen Misstrauen gegenüber der Politik und ihren Repräsentanten geführt, was sich unter anderem in der immer mehr um sich greifenden, manchmal aber auch unreflektierten Kritik an politischen Entscheidungen äußert, die zudem mit einer zunehmen Verrohung in Sprache und Verhalten einhergeht. Aber auch hier war die Politik selbst das Vorbild, man denke nur an die Wortwahl bei politischen Diskussionen, bei denen schon lange nicht mehr Sachargumente, sondern allein die moralische Demontage des „politischen Gegners“ durch Verunglimpfungen oder aus dem Zusammenhang gerissenen absichtlich falsch interpretierten Zitaten zählt.
Der gesellschaftliche Grundkonsens wurde zu einer „Alles was gefällt ist erlaubt-Multikulti-Beliebigkeit“ verwässert, die gemeinschaftsstiftenden Religionen an den gesellschaftlichen Rand gedrängt und die Politik hat sich durch das Verhalten ihrer Repräsentanten selbst unglaubwürdig gemacht - wie und für wen soll in unserem Land dann noch Vertrauen aufgebracht werden?
Vertrauen gründet sich vor allem auf Verlässlichkeit, denn ich kann nur jemandem mein Vertrauen entgegenbringen, von dem ich glaube und erwarte, dass ich mich auf ihn verlassen kann, dass er mein in ihn gesetztes Vertrauen nicht zu meinem Schaden missbraucht.
Und ohne Vertrauen kann es keine echte Gemeinschaft geben, in der sich jedes Mitglied auf das andere verlassen können muss.
Als uns Gartenfreunden vertrautes Gleichnis dafür könnte eine Pflanze dienen: Aus dem Boden der Verlässlichkeit ziehen die Wurzeln ihre Kraft, das Vertrauen bildet den tragenden Stängel und die lebenswichtigen Blätter, als Blüte zeigt sich die Gemeinschaft und der Same symbolisiert das Weiterverbreiten dieser Ideale in der Gesellschaft.

Ein beeindruckendes lebenspraktisches Beispiel für Verlässlichkeit, Vertrauen und Gemeinsinn bieten uns einige Siedlervereine in den schweren Zeiten während und nach dem 2. Weltkrieg:
Das Baumaterial wurde aus einer gemeinsamen Kasse finanziert, die Häuser gemeinsam gebaut - damals noch per „Hand am Arm“ mit den einfachsten Hilfsmitteln - und nach Fertigstellung unter den Mitgliedern verlost - man arbeitete vereint im Verein.
Heute einfach unvorstellbar, aber damals höchst effektiv, denn nur im Zusammenwirken vieler Kräfte und Fähigkeiten war möglich, was der Einzelne wegen unzureichenden „Vermögens“ alleine nie hätte erreichen können.
Wie viel einfacher haben wir es heute - und was könnten wir in unseren Vereinen und damit auch in der ganzen Gesellschaft alles bewegen, wenn wir nur einen Bruchteil der damaligen Anstrengungen einsetzen würden - und des damaligen Vertrauens!
Auf jede und jeden von uns kommt es nämlich an: Lassen wir uns nicht von „Rattenfängern“ welcher Art auch immer entmündigen, denken wir wieder konstruktiv-kritisch, besinnen wir uns wieder auf Glaube und Werte und schaffen damit eine neue und solide Basis für Verlässlichkeit und gegenseitiges Vertrauen - und dann wird auch in unseren Vereinen der Gemeinsinn wieder blühen und seine Samen in die Gesellschaft tragen - sie hat ihn heute nötiger als jemals zuvor.


Harald Schäfer
Landesfachberater